Die meisten von uns kennen diesen Moment: Man selbst regt sich darüber auf, dass man im letzten Meeting so zurückhaltend war, während die Kollegen einen dafür loben, wie selbstsicher man aufgetreten ist. Oder man lobt die Kreativität von Kollegen, welche ihr eigenes Talent scheinbar gar nicht selbst bemerken.
Wie kommt es, dass wir uns selbst oftmals ganz anders wahrnehmen als andere dies tun?
Die Frage, wie wir auf andere wirken, ist eine wichtige und oft unterschätzte Angelegenheit, die Auswirkungen auf unser Leben haben kann. Schließlich beeinflusst sie, wie andere uns wahrnehmen und behandeln, sei es im privaten, beruflichen oder geschäftlichen Umfeld.
Um herauszufinden, wie wir auf andere wirken, können wir uns selbst befragen oder die Meinung anderer einholen. Beides kann uns wichtige Erkenntnisse über unser Selbst- und Fremdbild liefern. Das Selbstbild bezieht sich auf unsere eigene Wahrnehmung von uns selbst, während das Fremdbild die Sichtweise anderer auf uns beschreibt.
Die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild kann zu Missverständnissen, Frustrationen und Konflikten führen. Es ist daher wichtig, sich mit beiden Perspektiven auseinanderzusetzen, um ein tieferes Verständnis für uns selbst und andere zu gewinnen.
In diesem Beitrag erhalten Sie alle wichtigen Informationen und nützlichen Tipps zum Thema Selbst- und Fremdbild. Erfahren Sie, wie Sie an Ihrem Selbst- und Fremdbild arbeiten können, um sowohl privat als auch beruflich neue Erfolge zu erzielen!
Selbstbild und Fremdbild:
Selbstbild
In der Psychologie definiert man das Selbstbild als die Vorstellung der eigenen Person. Unser Selbstbild ist dabei auch ein Bestandteil unserer eigenen personalen Identität.
Wie wir uns selbst betrachten hängt von einer Vielzahl verschiedenen Faktoren ab und ändert sich im Laufe des Lebens.
Allgemein gilt, dass unser Selbstbild sich auch stark an unserem Wunschbild, also dem, wer wir sein wollen, orientiert.
Fremdbild
Als Fremdbild wiederum versteht man das Bild, das Andere sich über unsere Persönlichkeit und unser Auftreten machen.
Ein Fremdbild setzt sich dabei zusammen aus Gefühlen, Wahrnehmungen und Bewertungen unserer Umgebung. Wenn Personen uns bereits kennen, dann verknüpfen Sie unser Auftreten und Handeln automatisch mit früheren Erfahrungen, die sie mit uns gemacht haben. Diese Erfahrungen können die Erwartungen an unsere Person stark beeinflussen.
Wie entsteht ein Selbstbild?
Welches Selbstbild wir von uns haben, hängt in der Regel von mehreren Faktoren ab. Hier fließen mitunter unsere persönlichen Werte, Wunschvorstellungen sowie unsere Stärken und Schwächen mit.
Wir Menschen sind soziale Wesen und keine Einzelwesen. Wir sind Teil eines gesellschaftlichen Konstrukts und interagieren mit anderen. Dies bedeutet, dass auch die Fremdeinschätzungen und Rückmeldungen unserer Vergangenheit unser Selbstbild stark beeinflussen.
Positives Feedback kann folglich unser Selbstbild positiv beeinflussen. Oftmals handelt es sich jedoch um negative Rückmeldung, welche stark zu unserem Selbstbild beitragen.
Selbstbild und Fremdbild in Wechselwirkung
Unser Selbst- und Fremdbild beeinflusst sich also gegenseitig und führt oftmals dazu, dass wir uns selbst ganz anders wahrnehmen, als wir von anderen eingeschätzt werden.
Wenn Selbst- und Fremdwahrnehmungen stark voneinander abweichen, wird dies auch als Selbstbild-Fremdbild-Inkongruenz bezeichnet. In einigen extremen Fällen kann die starke Abweichung stark an unserem Selbstwert kratzen und sogar zu psychischen Problemen führen.
Im Kern bedeutet dies: Wenn wir uns in unserem „Sein“ wohlfühlen und auch von außerhalb Lob und Zustimmung für unser Handeln erhalten, dann sind wir mit uns selbst im harmonischen Einklang. Wenn wir jedoch immer wieder auf unsere vermeintlichen Schwächen und „blinden Flecken“ hingewiesen werden, dann leidet früher oder später sowohl unser Selbstwert als auch unsere Gesundheit darunter.
Das Johari-Fenster
Im Jahr 1955 entwickelten die beiden amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham das Kommunikationsmodell “Johari Fenster”, welches sich mit dem Selbstbild und dem Fremdbild von Individuen auseinandersetzt.
Ziel der beiden Wissenschaftler war es, eine grafische Darstellung zu entwickeln, welche die Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung darstellt. Hierfür werden die unterschiedlichen Wahrnehmungen aus der jeweiligen Perspektive direkt nebeneinander gestellt, um einen direkten Vergleich erzielen zu können.
Das Kommunikationsmodell wird besonders häufig in Teams angewendet, die eng zusammenarbeiten. Das Johari Fenster soll das gegenseitige Vertrauen stärken und die Zusammenarbeit langfristig vereinfachen. Hierbei wird der Gedanke verfolgt, das Selbst- und Fremdbild anzunähern, um somit die Kommunikation untereinander zu vereinfachen.
Die zwischenmenschliche Kommunikation wird dabei mit diversen Achtsamkeits- und Kommunikationsübungen gestärkt.
Im Prinzip geht es bei dem Johari-Fenster um vier verschiedene Bereiche, welche gemeinsam das Selbst- und Fremdbild von Personen auf abstrakte Weise darlegen:
1. Der öffentliche Bereich
Zum öffentlichen Bereich zählt all jenes, was wir in der Öffentlichkeit über uns preisgeben. Hierzu gehören sowohl offensichtliche persönliche Eigenschaften als auch äußere Merkmale wie Kleidungsstil, Erscheinungsbild etc.
2.) Der geheime Bereich
Zum geheimen Bereich zählen alle Informationen einer Privatperson, die entweder bewusst oder unbewusst von der Öffentlichkeit ferngehalten werden.
Hierzu zählen mitunter schlechte Angewohnheiten, eigene Schwächen oder auch Charaktereigenschaften, die man versucht zu verbergen.
Kleines Beispiel: Wenn eine Person in der Öffentlichkeit als sehr kommunikativ wahrgenommen wird, sich aber vor jedem öffentlichen Auftritt mit immenser Aufregung und Überwindung zu kämpfen hat, dann gehört dies zu dem „geheimen Bereich“ einer Person.
Das öffentliche Bild einer kommunikativen Persönlichkeit aufrechtzuerhalten kostet viel Kraft und kann in schlimmsten Fall zu gesundheitlichen Schwierigkeiten führen.
Wenn die Diskrepanz zwischen öffentlichen und geheimen Bereich folglich zu groß ist, sollte die Person ihr Umfeld offen und ehrlich darüber aufklären. Sobald die berufliche Karriere jedoch mit im Spiel steht, ist dies leichter gesagt als getan.
3.) Der blinde Fleck
Zum blinden Fleck gehören alle Eigenschaften einer Person, die einem selbst nicht bewusst sind, anderen Menschen jedoch schon. Der blinde Fleck gilt damit als Bereich, indem wir die Inkongruenz zwischen Selbst- und Fremdbild am wenigsten beeinflussen können.
4.) Die Unbekannte
Im unbekannten Bereich werden alle Eigenschaften eingeordnet, die niemand über einen kennt- nicht einmal man selbst.
Wie verhalten wir uns in lebensgefährlichen Situationen? Wie reagieren wir unter Schock? Wenn man noch nie in einer solchen Situation war, kann man nur schwer einschätzen, wie man diese tatsächlich bewältigen würde.
Johari Fenster: Diese Schlussfolgerungen können Sie daraus ziehen
Im Grunde genommen stellt das Kommunikationsmodell des Johari Fensters anschaulich dar, dass andere Personen bestimmte Verhaltensweisen (wie z.B. Gewohnheiten, Vorurteile, Zuneigungen) an einen wahrnehmen, welche man sich oftmals gar nicht bewusst ist
Auch lässt sich schlussfolgern, dass der „Blinde Fleck“ unsere Selbstwahrnehmung maßgeblich beeinflusst.
Allgemein gilt: Je größer der „blinde Fleck“ ist, desto unsicherer ist das Verhalten einer Person. Durch qualitatives Feedback vergrößert sich das Fenster der „öffentlichen Person“, während sich der „blinde Fleck“ entsprechend verkleinert. Somit kann durch umfassendes Feedback das eigene Selbstbild gestärkt und erweitert werden.
Wie sehen Sie sich und wie sehen andere Sie? Machen Sie den Test
Viele Menschen sind sich unsicher, wie sie auf ihr Umfeld wirken. Oftmals reicht bereits ein kleiner Test, um einen Eindruck zu Ihrem Auftreten zu erhalten:
Schreiben Sie auf einem Zettel fünf bis sieben Eigenschaften auf, die Sie an sich selbst schätzen.
Kleines Beispiel: “ehrlich, humorvoll, loyal, hilfsbereit, fleißig etc.”
Daraufhin bitten Sie Bekannte oder Freunde, ebenfalls aufzuschreiben, welche besonderen Eigenschaften sie an Ihnen schätzen und was sie mit Ihnen als Person verbinden.
Wenn Sie Feedback erhalten, fragen Sie ruhig nach, wie die Einschätzung zustande gekommen ist. Versuchen Sie, das Feedback als “Geschenk” zu betrachten, welches Ihnen in Ihrer persönlichen Entwicklung weiterhelfen kann.
Wenn Sie sich über etwas ärgern, bedenken Sie auch: Feedback heißt nicht, dass das Fremdbild auch tatsächlich der Realität entspricht. Es zeigt nur, wie andere Sie wahrnehmen und wie Sie auf andere wirken.
Schwierigkeiten bei dem Einholen von Feedback
Ein qualitatives Feedback- sowohl positiv, als auch negativ- weist viele Vorteile für Sie auf. Die Fremdeinschätzung anderer kann dazu beitragen, dass Sie Ihre eigenen Stärken und Schwächen bewusster wahrnehmen und an Selbstbewusstsein dazugewinnen.
Beim Einholen eines ehrlichen Feedbacks kann es jedoch zu verschiedenen Problemen kommen: Zum einen neigen wir Menschen dazu, uns in ähnlichen Kreisen zu bewegen. Dies bedeutet, dass gewisse Eigenschaften, die wir an den Tag legen, von unserem Gegenüber nicht weiter beachtet werden, während diese in anderen Kreisen möglicherweise für Irritation sorgen würde.
Auch neigen Freunde und Familie im Allgemeinen dazu, wohlwollend mit uns umzugehen, was die Qualität der Fremdeinschätzung verringern kann. Andere wiederum halten sich möglicherweise aufgrund von Hemmungen mit ehrlicher Kritik zurück.
Dies kann von zwei Seiten betrachtet werden. Zum einen ist es für unser Selbstwertgefühl sicherlich von Vorteil, wenn wir nicht andauernd kritisiert werden. Andererseits besteht auf diese Weise wiederum die Gefahr, dass wir Menschen hinter unseren Möglichkeiten bleiben.
Hinzu kommt, dass der abgelehnte Bewerber seitens des Unternehmens nur in den seltensten Fällen ein ehrliches Feedback auf die Frage nach dem Grund für die Ablehnung bekommt. Dies ist angesichts des Antidiskriminierungsgesetzes zwar sinnvoll, nimmt aber dem Bewerber gleichzeitig die Möglichkeit, an seinen Schwachstellen zu arbeiten.
Die Relevanz der Körperhaltung
Im Allgemeinen ergibt sich unser Selbstbild aus verschiedenen Faktoren, wie unter anderem:
- Fähigkeiten
- Erfahrung
- Körperwahrnehmung
- Status
- Werte
etc.
All diese Aspekte fließen unbewusst auch in die Körperhaltung einer Person mit ein.
Kleines Beispiel: Eine Person, die mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern ein Raum betritt, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ein geringes Selbstwertgefühl und keinen hohen Status. Eventuell hat sie in der Vergangenheit bereits überwiegend negative Kritik erfahren, weshalb sie sich nicht viel zutraut.
Eine solche Person hat oftmals kein ausreichendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, weshalb sie wahrscheinlich nicht voller Elan in neue Arbeitsprojekte stürzt. Unser Selbstbild hat somit auch großen Einfluss auf unsere Leistungsfähigkeit und unser soziales Miteinander.
Wenn ein Mensch sich selbst nicht achtet, wird Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen erfahren.
Die Folge: Das eigene Verhalten kann zu einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung führen. Vereinfacht gesagt: Wer einen Raum betritt und sich denkt: „Ich kriege den Job ohnehin nicht“, spiegelt diese Negativität auch in seiner Körperhaltung und seinem Auftreten wieder.
Dabei sollte einem stets bewusst sein: Weder das Selbstbild noch das Fremdbild beruhen 100 Prozent auf Tatsachen sondern sind das Ergebnis von persönlichen Eindrücken und Erfahrungen. Man sollte negative Kritik von außerhalb daher zwar annehmen können, jedoch nicht zu stark zu Herzen nehmen und auch auf die eigene Selbsteinschätzung vertrauen können.
Wie Sie Ihr Selbstbild trainieren können
Nachdem Sie ein Feedback bezüglich Ihres Fremdbildes erhalten haben, gibt es zahlreiche Übungen, um an Ihrem Selbstbild zu arbeiten.
Im Folgenden stellen wir Ihnen vier gängige Übungen vor:
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Führen Sie positive Selbstgespräche:
Loben Sie sich selbst! Vermeiden Sie negative Gedankengänge und versuchen Sie, sich vor schwierigen Aufgaben selbst zu motivieren.
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Arbeiten Sie an Ihrer Selbstakzeptanz
Lernen Sie, sich so zu mögen, wie Sie sind. Akzeptieren Sie Ihre Stärken und Schwächen und seien Sie dabei nicht zu streng zu sich selbst. Häufig gehen wir mit Freunden deutlich nachsichtiger um als mit uns selbst. Wir selbst sind häufig unsere größten Kritiker!
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Schreiben Sie Tagebuch
Nutzen Sie jeden Abend ein paar Minuten, um Ihre Gedanken und Gefühle aufzuschreiben.
Was lief heute gut? Wann hatten Sie ein Lächeln im Gesicht?
Überlegen Sie sich auch, wie Sie sich selbst heute wahrgenommen haben. Haben Sie den Tag genossen oder haben Sie viele Dinge als “selbstverständlich” betrachtet? Notieren Sie jeden Tag drei positive Alltagsmomente und finden Sie heraus, was dies mit Ihrer eigenen Wahrnehmung macht! -
Feiern Sie Ihre eigenen Erfolge!
Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit, um sich etwas zu gönnen und Ihre Erfolge zu feiern. Ob ein leckerer Kaffee, ein Spaziergang oder ein großes Stück Kuchen- eine kleine Belohnung kann die eigene Stimmung schnell verbessern.
Warum ist das Selbst- und Fremdbild im Arbeitsleben so relevant?
Die Frage, wie wir auf andere wirken, ist aus vielerlei Gründen nicht nur im Privaten relevant sondern spielt auch im Arbeitsleben eine große Rolle.
Um die Bedeutung des Selbst- und Fremdbilds im Arbeitsleben zu veranschaulichen, schauen wir uns an einem Beispiel an, was passiert, wenn eine extreme Selbstbild-Fremdbild-Inkongruenz bei einem Arbeitnehmer vorherrscht.
Wenn ein falsches Selbstbild vorliegt, führt dies in vielen Fällen zu Konflikten, Missverständnissen und Problemen, deren Ursache man selbst oftmals gar nicht richtig einschätzen kann (inkorrektes Handeln anderer Menschen, Zufälle, unglückliche Umstände etc.).
Die meisten Menschen neigen dazu, sich falsch einzuschätzen und zu unterschätzen. In diesen Fällen traut man sich Dinge nicht zu, die man eigentlich schaffen könnte.
In einigen Fällen kommt es jedoch auch zu extremen Selbstüberschätzungen. Menschen, die sich selbst überschätzen, gehen oftmals viele Dinge und Projekte an, die nicht unbedingt zu ihren Stärken gehören.
Ob Selbstunterschätzung oder Selbstüberschätzung: in beiden Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die betroffene Person sich ihrer Verhaltensweise nicht bewusst ist und die falsche Selbstwahrnehmung nicht erkannt wird.
Doch was bedeutet dies für das Arbeitsleben? Menschen, die sich selbst noch nicht richtig einschätzen können, haben größere Schwierigkeiten darin, ein passendes Tätigkeitsfeld zu finden, in welchem sie glänzen können und was ihnen Freude bereitet.
Fazit: Ein realistisches Selbstbild gilt als Stärke
Seine eigenen Stärken und Schwächen zu kennen ist sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext sehr wertvoll.
Je besser wir uns selbst und unsere Persönlichkeit kennen, desto deckungsgleicher werden auch unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Die positive Folge daraus: Die Meinung von außerhalb verunsichert Sie nicht länger in ihrem Handeln, sondern bestärkt Sie vielmehr in Ihren Tun.
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Torben Schacht
Torben Schacht ist Geschäftsführer der Stärkenkompass GmbH. Die Stärkenkompass GmbH entwickelt und vertreibt ein digitales Werkzeug zur Sammlung, Visualisierung und Entwicklung der Stärken von Menschen, Teams und Unternehmen.